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Spiel auf Zeit

Donnerstag, 03. November 2016, 20:00 Uhr

Die Politik der Bundesrepublik Deutschland gilt in der öffentlichen Wahrnehmung weltweit als Modell einer gelungenen Entschädigung für die Opfer von Kriegsverbrechen und Verfolgung. Tatsächlich aber hat die Mehrheit der mehr als 20 Millionen NS-Verfolgten nie eine Entschädigung erhalten. Während Überlebende der deutschen NS.Verbrechen noch immer um Anerkennung und Entschädigung kämpfen, nutzt Deutschland – der eigentlich größte Schuldner Europas (AK Distomo) – seine ökonomische Vormachtstellung, die auch auf vergangener Vernichtung, Kriegsbeute und zu deutschem Kapital geronnener Zwangsarbeit aufbaut, um anderen Ländern in der EU eine staatliche Sparpolitik auf zuzwingen, die mit Verarmung und Verelendung großer Bevölkerungsteile verbunden ist. Eine andauernde Auseinandersetzung mit der Verfolgung während des Zweiten Weltkriegs und die immer wieder aufs Neue abgewehrten Schadenersatzforderungen seitens des „Aufarbeitungsweltmeisters“ Deutschland bestimmen dagegen den Alltag vieler überlebender NS-Verfolgter. In „Spiel auf Zeit. NS –Verfolgte und ihre Kämpfe um Anerkennung und Entschädigung“ haben Nina Schulz und Elisabeth Mena Urbitsch in fünfzehn eindringlichen Reportagen Überlebende und ihre Kämpfe gegen das Vergessen in Text und Bild porträtiert. Dazu sind sie zwischen 2009 und 2015 in acht verschiedene Länder gereist, um Zeit mit den Protagonist*innen zu verbringen. Die in den Mittelpunkt gerückten biographischen Ausführungen haben die Autorinnen durch historische Einordnungen und den Epilog „Eine kleine Geschichte der (Nicht)Entschädigung“ ergänzt.

Die Journalistin Nina Schulz und die Fotografin Elisabeth Mena Urbitsch arbeiten seit 2005 zusammen an Reportagen zu erinnerungspolitischen Themen. Ihre Reportage »Spiel auf Zeit« zu Überlebenden des Nationalsozialismus und deren Kampf um ihre Ghetto-Renten wurde 2010 mit dem Alternativen Medienpreis ausgezeichnet. 2015 bekamen sie diesen Preis ein zweites Mal für ihre Reportage »Hasenbrote« aus der Reihe »Offene Rechnungen«, in der sie die andauernden Auseinandersetzungen von NS-Verfolgten um Anerkennung und Entschädigung darstellen.